Entstehung

Die Kainsbacher Mühle wurde erstmals im Jahre 1426 im Zinsbuch der Grafen von Wertheim urkundlich erwähnt. Sie war, wie in dieser Zeit üblich, eine sogenannte „Bannmühle“, die als Lehen von der Herrschaft Breuberg vergeben und als Mahlmühle betrieben wurde. Der Begriff Bannmühle leitet sich ab vom Mühlenbann bzw. Mühlenzwang. Dieses grundherrliche Recht sicherte dem Grundherren das alleinige Recht zum Bau und Betrieb einer Mühle und zwang die Bauern aus der Region ihr Getreide dort mahlen zu lassen. Somit wurde ein Wettbewerb zwischen den Mühlen verhindert, hohe Mahlpreise sprich Einkünfte für den Grundherren waren die Folge.

Typischerweise wurden damals im Odenwald Getreidesorten, wie Hirse, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen (Heidekorn) oder auch Weizen, angebaut. Das ursprüngliche Mühlengebäude in Nieder Kainsbach im Gersprenztal, war in seiner Funktion als Mühlen- und Wohngebäude zweigeteilt sowie mit zwei Mahlböden ausgestattet.

Der dem Bachlauf zugewandte Gebäudeteil wurde als Mühle genutzt. Zum Hof hin war der Wohnbereich. Weitere Informationen hierzu, sowie überlieferte Abbildungen zum ursprünglichen Mühlengebäude können unserer Infotafel im 1. Mahlboden entnommen werden.

Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte

Bauliche Änderungen und betrieblich-technische Entwicklungen haben in der Mühle stets Einzug gehalten um Arbeitsabläufe zu vereinfachen und die Produktivität zu steigern. Hierfür haben wir einige Beispiele aus dem 17. bis hin ins 20. Jahrhundert. Die Kainsbacher Mühle war eine Getreidemühle, die anfangs mit einem Mahlgang ausgestattet war.

Der Antrieb der ehemaligen Wassermühle erfolgte über ein ober- schlächtiges Wasserrad. Der Wasserzulauf erfolgte vom Kainsbach durch den Mühlgraben in das Holzgerinne bzw. Holzkandel, von oben in den Zenit des Wasserrades. Das Wasserrad hatte einen Durchmesser von 4,80 m, bei einer Schaufelbreite von 0,80 m. Das Mühlrad war mit 32 Schaufeln ausgelegt und hatte bei 6 Umdrehungen/Minute eine Antriebsleistung von 6 – 8 kW (8 – 10 PS).

Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Getreidemühle von einem auf drei Mahlgänge erweitert. Diese waren der Schälgang, der Schrotgang und schließlich der Mehlgang. Somit konnten die Fraktionen Schrot, Gries, Dunst und Mehl (von grob nach fein) ausgemahlen werden. Die damalige Mühlentechnik entsprach den Anforderungen der Erbacher Mühlenordnung von 1769.

Im Jahr 1910 wurde zusätzlich zur Wasserkraft noch ein Gleichstrommotor als Antrieb installiert um in den Sommermonaten konstant produzieren zu können. Die Mühle, wurde über 500 Jahre als Getreidemühle betrieben und erst 1956 stillgelegt.

Der Weg nach Michelstadt

Im Jahre 1981 erwarb der Förderkreis Historisches Michelstadt die Mühle, die sich allerdings noch im voll funktionsfähigen Zustand befand. Die gesamte Mühlentechnik der Kainsbacher Mühle wurde dann in die Remise der Kellerei in Michelstadt auf drei Ebenen im Original belassen eingebaut und im voll funktionsfähigen und betriebsbereiten Zustand mit ihren drei Mahlgängen 1993 als kulturhistorisches Denkmal der Öffentlichkeit und den Besuchern der Stadt Michelstadt zur Verfügung gestellt. Der Antrieb der Mühle erfolgt seit dem nur noch mittels Elektromotor über ein sogenanntes Vorgelege, da das Betreiben des oberschlächtigen Wasserrades aus vielerlei Gründen nicht möglich ist.

Auszug aus der Museumsmühlentechnik

Das massive und verzierte Eichengebälk der Mühle, auch als Bieth bezeichnet, welches die Antriebsebene und den ersten Mahlboden aufspannt, stammt aus einem barocken Erweiterungsbau der Mühle in den Jahren 1725 – 1728. Die zu besichtigende Mühlentechnik, mit Antriebswelle, Kammrad, Königsrad, die Zahnradtechnik mit Nockenwelle und Winkelrad sowie die Transmission wurde vor etwa 150- 200 Jahren in die Kainsbacher Mühle, eingebaut.

Die Antriebsebene mit Zahnradtechnik und Elevatoren


In jeder Mühle sind die Mahlgänge, mit ihren schweren Mahlsteinen, der wohl beeindruckendste Betriebsteil. Um sauberes, feines Mehl aus den verschiedenen Getreidesorten zu mahlen, musste das Korn immer wieder die verschiedenen Mahlgänge passieren. Aber auch die Qualität der Mahlsteine, die verwendet wurden, war ebenfalls von erheblicher Bedeutung. In unserer Mühle kommen regional bedingt aus- schließlich Mahlsteine aus Sandstein zum Einsatz.
Zum originalen Mühlenbetrieb gehören auch eine Griesputzmaschine, eine Haferquetsche und eine Schrotmühle. Zusätzlich verfügt die Mühle über eine liegende Spitz- und Schälmaschine (Trieur), sowie ein Unkrautgesäme-Sauglüfter (Aspirateur). Der sogenannte Sechskant Sichter, mit dem bis zu drei unterschiedliche Korngrößen gesichtet bzw. sortiert werden, vervollständigt die Getreidemühlentechnik. Hervorzuheben ist zusätzlich noch das Doppel-Elevatoren-Hebesystem (Gurtbecher am Band), welches in der Kainsbacher Mühle für eine Mahlleistung von ca. 500 kg Mehl im 24-Stunden-Dauerbetrieb sorgte.

Im Rahmen unserer Führungen erfährt der Besucher mehr über die Entwicklung der Mühlentechnik in den vergangenen Jahrhunderten, sowie Grundsätzliches über das Müller-Handwerk vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit